Qualitäten werden in Szene gesetzt

Kapellen aus Betzweiler und Bochingen zeigen eindrucksvoll, was sie können

Zwei Kapellen unter der Stabführung desselben Dirigenten, der Abschiedsauftritt der Jugendkapelle nach zehn Jahren und die Ernennung von Roland Hauser zum Ehrenvorsitzenden – das bescherte dem Weihnachtskonzert des Bochinger Musikvereins ein hohes Maß an Emotionalität.

MVB beim Konzert 2017Oberndorf-Bochingen. Die Vorverlegung des Konzerttermins machte es möglich, dass die Kapellen aus Betzweiler und Bochingen zusammenfinden konnten – ein langgehegter Wunsch. Dass Thomas Wössner dabei die Schlüsselrolle zufiel, war eher dem Zufall geschuldet. Für den MV Bochingen hat sich der ehemalige Dirigent und aktive Spieler oft als verlässliche Größe erwiesen. So ließ er sich wieder in die Pflicht nehmen, die dirigentenlose Zeit in Bochingen zu überbrücken.
Beim Konzert ließ sich einmal mehr sein sicheres Gespür für die Auswahl der Musikliteratur im Sinne des Potentials im Einklang mit der Wirksamkeit auf das Publikum bewundern. Wössner schaffte es, mit beiden Hauptkapellen die Spannung zu halten, indem er deren Charakteristika herausarbeitete.

Schottland und Big Apple

Für Karin Dengler war es das erste Weihnachtskonzert als Vorsitzende des MV. Letztmalig öffnete sich der Vorhang für die Youngsters, wobei Stefan Hauser ein beeindruckendes Spotlight auf seine zehnjährige Arbeit mit der Nachwuchskapelle warf (wir werden noch berichten).

"Kontraste" war das Motto der gastgebenden Kapelle, die mit dem anspruchsvollen Werk "The Castle in the Highlands" nach Schottland entführte, Leben, Landschaft und Menschen in musikalische Szene setzte. Bestechend war das Spiel mit ganz viel Feingefühl, das aufhorchen ließ. Mit der "New York Overture" von Kees Vlak wurde das Publikum in das pulsierende Leben des Big Apple hineingenommen. Mal malerisch beschreibend, mal lebendig agierend, zuweilen einfühlsam betrachtend – so durften alle Register die kontrastreichen Facetten musikalisch nachzeichnen.

Nadja Bach als GesangssolistinGeradezu frenetisch war der Beifall für Nadja Bach, die in "A Night Like This" mit ausdrucksstarker Stimme begeisterte. Bislang war wohl nur den Insidern bekannt, dass die Klarinettistin als Frontfrau der Band "Grenzgebiete" auch gesanglich hervorragende Qualitäten besitzt.

Jetzt ging es auf die "80er-Kult (Tour)" mit einem Ohrwurm nach dem anderen, in ein neues Medley gebunden von Thiemo Kraas. "Skandal im Sperrbezirk" der Spider Murphy Gang, die Münchener Freiheit mit "Ohne dich schlaf’ ich heut’ Nacht nicht ein", "Sternenhimmel" von Hubert Kah und Falcos "Rock me Amadeus" – die Zeitreise war ein absoluter Genuss.

Spannung baut sich auf

Für Wössner ging es mit seiner Betzweiler Kapelle nicht darum, sich selbst zu toppen, sondern mit einem nicht minder ansprechenden zweiten Konzertteil den Kontrastpunkt zu setzen. Das erreichte er durch die klassische Prägung kombiniert mit dem Motto "Talentschmiede", das die Solisten ins Rampenlicht rückte. Mit dem vollen Klangvolumen bei "Fanfare and Flourishes" baute die Gastkapelle die Spannung auf.

Dass Talente sich ausschließlich über konzentrierte Probenarbeit, gepaart mit Leidenschaft, entdecken lassen, fand eindrucksvolle Bestätigung. Im "Concertino" von Ernst Sachse ließ sich Anton Walter in zwei Sätzen an der Soloposaune herausfordern. Bei "Xylo Classics" glänzten Jan und Roy Lampprecht an den Marimbaphonen.

Dass man aber nicht nur "klassisch kann", wollten die Aktiven dann doch beweisen. Das Jazz-Kultstück "Children of Sanchez" von Chuck Mangione lebt vom Wechsel der Soli am Flügerhorn, Altsaxophon, Horn, Keyboard und Glockenspiel mit dem Blasorchester.

Das i-Tüpfelchen auf den Abend setzte Thomas Wössner mit Schlagern, die es zu erraten gab. Für Bochingen hatte er "Mississippi" von Pussycat ausgesucht, als Solo für fünf Posaunen. Betzweiler trumpfte mit "Roman fährt Automobil" auf und bestach durch das Solo für zwei Klarinetten, gemeinsam gespielt von Aktiven beider Kapellen. Besser hätte dann der Schlussakkord des Doppelkonzerts nicht sein können.

 

Quelle: Claudia Holzer-Rohrer, Schwarzwälder Bote Oberndorf